Jeder Baum zählt – keine Teilrodung im WiWa!
Tauschhandel oder Salamitaktik? 800 Quadratmeter Wald sollen, angeblich für die Erweiterung eines Firmengeländes, gerodet werden
Zu Beginn des Jahres erreichte uns aus sicherer Quelle die Information, dass eine an den Wilden Wald grenzende Firma ihr Betriebsgelände erweitern und dafür eine benachbarte Teilfläche des Waldes roden wolle. Nachforschungen ergaben, dass das stimmt.
Mittlerweile hat der Vorgang seinen offiziellen Weg genommen und steht kurz vor der Entscheidung. Es handelt sich um die Firma „BM Bau“ an der Schlenzigstraße 16, die sich um rund 800 Quadratmeter in den WiWa hinein vergrößern möchte. Das Waldstück gehört der Stadt Hamburg, es wird vom Landesbetrieb Immobilienmanagement und Grundvermögen (LIG) verwaltet. Das Interessante: Der LIG bietet es der Firma im Tausch gegen einen kleineren Zipfel ihres Betriebsgeländes an.

Abb.: Landschaftspflegerischer Begleitplan für die Maßnahme/„EGL GmbH“
Die Begründung für den Antrag ist verworren
In der Standortbezogenen Vorprüfung des Einzelfalls heißt es zur Begründung für das Vorhaben: „Vom Eigentümer [der Firma ,BM Bau‘] wird eine Erweiterung des Betriebsgeländes gewünscht, weil das Unternehmen stark gewachsen ist und dringend Lagerfläche für Baumaschinen und Baumaterialien benötigt.“
Wenn das alles wäre, müsste eigentlich die Firma der Stadt das Gelände abkaufen und dann die Rodungs- und Baugenehmigung beantragen. Es ist aber anders. Einige Zeilen vorher, gleich zu Anfang, heißt es nämlich: „Der LIG möchte dem Eigentümer des benachbarten Flurstücks 7940 [,BM Bau‘, Betriebsgelände] diese Teilfläche zum Tausch gegen die westliche Spitze seines Grundstücks anbieten.“ Warum? Weil die westliche Spitze des Firmengeländes für das „Spreehafenviertel“ (B-Plan Wilhelmsburg 102) benötigt wird! In die Bebauungspläne für das „Spreehafenviertel“ ist der Flächentausch sogar schon eingezeichnet.

Abb.: IBA GmbH, BIWERMAU Architekten Hamburg, WES Landschaftsarchitektur Hamburg/Oyten/Berlin, SBI Verkehrsplanung Hamburg, BWS Hamburg
Nun ist aber das „Spreehafenviertel“ noch gar nicht genehmigt! Das Bebauungsplan-Verfahren läuft noch immer. Da stellt sich dann schon die Frage, worum es hier eigentlich geht: Wirklich „nur“ um eine schon länger gewünschte Vergrößerung eines Betriebsgeländes? Oder ist es doch eine Salamitaktik zur Flächenfreimachung für das „Spreehafenviertel“, indem man lauter kleine Teilstücke des Waldes unter fadenscheinigen Begründungen zu roden beginnt?
So oder so, die Umweltverbände aus der AG Naturschutz kommen in ihrem mehrseitigen Gutachten (das uns vorliegt) zu dem Schluss: „Die Rodung der o. g. Teilfläche des Wilden Waldes in Wilhelmsburg ist konsequent abzulehnen. [ … ] Generell sind die Planungen im Bereich des Wilden Waldes ein hochumstrittenes Politikum. Insofern wird von uns auch eine Salamitaktik zur Beseitigung des Waldes strikt abgelehnt.“
Protestaktion gegen die geplante Teil-Rodung im WiWa …
… und was dann geschah: Bei einer Kundgebung unseres Bündnisses„WiWa bleibt!“ versprach die neue Umweltsenatorin Katharina Fegebank, „zeitnah“ in den WiWa zu kommen und mit uns zu sprechen

Als die Umweltsenatorin in ihrem elektrischen Dienstwagen vorfährt, sind wir schon da: Gut 40 Menschen von Umweltinitiativen aus dem Hamburger Süden. Wir protestieren hier, auf dem Parkplatz Kärntner Hütte am Fuß der Harburger Berge, wie so oft gegen die Rodung des WiWa für das Neubaugebiet „Spreehafenviertel“ – und diesmal speziell gegen die drohende Teilrodung von 800 Quadratmetern (s. o.). Katharina Fegebank möchte an diesem Ort gleich zu einem offiziellen Waldspaziergang mit geladenen Teilnehmer*innen aus Politik, Försterei und Umweltverbänden aufbrechen, unter der Fragestellung: „Krank oder vital – wie geht es dem Hamburger Wald?“
Kurzer Schlagabtausch …
Doch zunächst kommt Frau Fegebank zu uns herüber und guckt, was wir wollen. Die Umweltsenatorin und wir liefern uns einen kleinen Schlagabtausch. Gerade ist bekannt geworden, dass die Umweltbehörde der vorgezogenen Rodung der 800 Quadratmeter Wald aller Wahrscheinlichkeit nach zustimmen wird. Das ist aus unserer Sicht nichts weiter als Doppelmoral und Greenwashing. Die BUKEA lädt zum PR-Waldspaziergang und macht sich angeblich Sorgen um die Vitalität und Gesundheit der Hamburger Wälder. Gleichzeitig will sie die Rodung im Wilden Wald genehmigen. Da ist „krank oder vital“ dann doch sowieso egal.
… und dann ein Angebot
Die Zeit drängt. Gleich soll die offizielle Waldbegehung starten, die geladenen Gäste sind mittlerweile vollständig eingetroffen. Da sagt Katharina Fegebank kurzerhand zu, in naher Zeit den WiWa zu besuchen und sich unsere Argumente in Ruhe anzuhören. Danach gehen die beiden Grüppchen wieder auf Abstand.
Der Harburger Bezirksamtsleiter Christian Carstensen hebt zur Begrüßung an, Malte Siegert, der NABU-Vorsitzende, wechselt schnell noch demonstrativ die Seiten und stellt sich mitten zwischen uns. Eine gute Geste, die zeigt: Der NABU steht hinter uns, ebenso wie die anderen Umweltverbände. Nachdem noch die Worte „Baum“, „Emotionalisierung“, „Wohnungsbau“ und der unvermeidliche „Zielkonflikt“ gefallen sind, sagt Staatssekretärin Stefanie von Berg energisch: „Jetzt möchten wir dann aber wirklich nur die geladenen Teilnehmer zur Begehung bitten“ und dann zuckeln sie los und bald sind wir auf dem Parkplatz wieder unter uns.
Wir sind trotz allem noch einmal gesprächsbereit
Bereits am nächsten Tag haben wir eine freundliche Einladung mit der Bitte um einen konkreten Terminvorschlag an die Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrar (BUKEA) rausgeschickt. Wir nehmen Frau Fegebank beim Wort und wir erwarten, dass es eine argumentative Begegnung auf Augenhöhe wird. Klar ist uns bewusst, dass die Entscheidung schon so gut wie gefallen ist – jedenfalls für die 800 Quadratmeter – und klar wissen wir, dass es den Politiker*innen in solchen Gesprächen meist nicht um das ehrliche Überprüfen ihrer Pläne geht, sondern um das bessere Verkaufen derselben und um die Befriedung eines Konflikts mit den Bürger*innen.
Überhaupt misstrauen wir den Grünen wieder zutiefst, seit sie uns bei der letzten Bürgerschaftswahl und der anschließenden Regierungsbildung noch mal so richtig übel mitgespielt haben: Im Wahlkampf sprachen sie sich definitiv für den Erhalt des WiWa und gegen den Bau des „Spreehafenviertels“ aus, legten dies sogar schriftlich in einem potenziellen Regierungsprogramm nieder – um dann in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD (wieder einmal) umzukippen und nun dem Bau des „Spreehafenviertels“ sogar Priorität einzuräumen, so steht es im Koalitionsvertrag; eine Aussage, der sich auch die bezirklichen Grünen anschlossen.
Dennoch haben wir uns noch einmal zur Gesprächsbereitschaft entschlossen. Nun warten wir auf den WiWa-Besuch der Senatorin.
Übrigens prüfen wir außerdem rechtliche Schritte für den Fall, dass die Fällgenehmigung für die 800 Quadratmeter Wilden Wald tatsächlich erfolgt. Eine „einstweilige Verfügung“ dagegen zu erwirken, liegt durchaus im Bereich des Möglichen. Zudem haben wir den WiWa seit Beginn der Rodungssaison am 1. Oktober wachsam im Blick.

Da(s) ist der Wilde Wald


Rechts: So erreicht ihr vom Norden Hamburgs aus den Wilden Wald mit dem Fahrrad oder dem ÖPNV.
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Unser Film über den WiWa: „… und ich habe sogar schon mal den Eisvogel gesehen.“
Impressionen von der Mahnwache 2024






